Das Default Mode Netzwerk, spielt eine zentrale Rolle in der menschlichen Erfahrung, insbesondere im Sport. Es ermöglicht uns, uns zu erinnern, zu reflektieren und zu planen, aber es kann auch unsere Aufmerksamkeit zerstreuen und uns von der Gegenwart ablenken. Mentales Training kann jedoch helfen, das DMN gezielt zu beeinflussen und unsere Fähigkeit zur Selbstregulation und Konzentration zu verbessern. Durch erste Übungen wie Atemmeditation können wir lernen, den Geist zu beruhigen und uns bewusst auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. Dieses bewusste Training des Geistes kann einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit leisten, indem es uns ermöglicht, unsere Gedanken zu kontrollieren und unsere Aufmerksamkeit effektiv auf unsere Ziele zu lenken.

Die Natur des Geistes: Gedanken in Bewegung

Lass uns mit einer kurzen und einfachen Übung beginnen. Dafür benötigen wir nur eine Minute deiner Zeit. Die Übung besteht darin, dich ruhig hinzusetzen, die Augen zu schließen und an nichts zu denken.

Das klingt einfach, ist aber verdammt schwierig. Selbst wenn wir die Übungszeit auf 10 Sekunden beschränken würden oder dein Leben davon abhängen würde, würdest du kaum besser abschneiden. Jeder hat einen Geist, der sich auf diese Weise verhält. So ist der Geist eben.

Wenn wir Menschen während dieser Zeiten des Nichtstuns fragen, was in ihren Köpfen vorgeht, ist es nicht nichts. Sie berichten von Gedankenwanderungen, oft zu dem, was uns beschäftigt. Die komplexe Abfolge von Gedanken geschieht schnell, automatisch und mühelos. Eine Vorstellung ruft viele weitere hervor, und nur wenige werden bewusst registriert. Der Großteil des assoziativen Denkens geschieht lautlos, unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Besonders unter Anstrengung, wie im sportlichen Bereich, vollbringt unser Gehirn Höchstleistungen im assoziativen Denken. Gleichzeitig möchten wir auf trainierte Automatismen zurückgreifen und dabei störende Gedanken loslassen sowie uns aufmerksam und konzentriert der Tätigkeit widmen. Wie schwierig das ist, kann jeder Athlet unabhängig der Sportart bestätigen. Was im Training noch akzeptabel erscheint, wird im Wettkampf zu einem massiven Hindernis.

Ohne neue innere oder äußere Reize, welche unsere Aufmerksamkeit binden, scheint unser Gehirn unruhig zu werden und beginnen, ihren eigenen Lärm zu erzeugen. Der menschliche Geist tendiert dazu, abzuschweifen und sich in das zu vertiefen, was als „stimulusunabhängiges Denken“ bekannt ist. Menschen verbringen viel Zeit damit, über Dinge nachzudenken, die um sie herum aktuell nicht geschehen, über vergangene Ereignisse zu reflektieren, über mögliche Zukunftsszenarien zu fantasieren oder über Dinge, die niemals eintreten werden. Tatsächlich scheint diese Art des Denkens der Standardmodus des Gehirns zu sein. Obwohl diese Fähigkeit eine bemerkenswerte evolutionäre Errungenschaft ist, die es Menschen ermöglicht zu lernen, zu reflektieren und zu planen, hat sie emotionale Kosten und lenkt uns von der Gegenwart ab.

Das Gehirn arbeitet immer

Das macht Gehirn nur 2% der Körpermasse aus, beansprucht aber etwa 20% der metabolischen Energie des Körpers. Dieser Energieverbrauchs bleibt weitgehend konstant, unabhängig davon, was wir gerade tun – selbst wenn wir überhaupt nichts tun. Die zusätzliche Energiebelastung aufgrund momentaner, aufgabenbezogener Anforderungen macht nur einen geringen Prozentsatz des gesamten Energiebudgets aus. Das Gehirn scheint also genauso aktiv zu sein, wenn wir entspannen, wie wenn wir unter geistiger Anspannung stehen.

Bestimmte Hirnregionen zeigen während Ruhephasen und Routinehandlungen eine deutlich erhöhte Aktivität, also dann, wenn keine spezifischen Aufgaben anstehen, welche unsere gezielte Aufmerksamkeit erfordern. In diesen Momenten stehen uns geistige Ressourcen zur Verfügung, die wir für Erinnerungen, Reflexionen und Planungen nutzen. Wir tauchen in die Vergangenheit ein, entwerfen Zukunftsszenarien oder versetzen uns in andere Situationen oder Personen.

Für erfolgreiches Handeln im Sinne der Evolution (Überleben und Reproduzieren) ist diese Fähigkeit von großem Vorteil, und deshalb verbringen wir sehr viel Zeit damit. Wenn wir in Gedanken unterwegs sind, sind wir jedoch nicht vollständig präsent, und nur ein Teil unserer Aufmerksamkeit ist damit beschäftigt, was wir gerade tun.

Das Default Mode Netzwerk

Das „Default-Mode-Netzwerk“ (DMN) ist das Gehirnnetzwerk, entlang dessen unser Geist wandert, wenn er wandert. Es ist aktiv, wenn wir uns auf nichts Bestimmtes konzentrieren, unterstützt das Umherschweifen der Gedanken zwischen verschiedenen Zeitpunkten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), verarbeitet emotionale Inhalte, betrachtet die Gedanken und Perspektiven anderer und hält ein Narrativnetzwerk aufrecht, welches die Geschichte dessen umfasst, wer wir denken, dass wir sind. Das DMN funktioniert weiterhin, wenn man schläft oder sogar unter leichter Narkose steht.

Es besteht aus diskreten, bilateralen und symmetrischen kortikalen Bereichen. Hauptsächlich handelt es sich dabei um die Mittellinie des präfrontalen Kortex und den hinteren cingulären Kortex, während auch andere Gehirnregionen in einigen Studien als Teil des DMN betrachtet wurden. Um der Einfachheit willen werden wir nicht alle spezifischen Regionen im Detail behandeln. Wenn du dich jedoch für die Details der Neuroanatomie interessierst, findest du weitere Informationen in der Literaturliste dieses Artikels.

Die Gehirnregionen, die den strukturellen Kern des DMN bilden, stellen Knotenpunkte dar, die wichtige Strukturen im Gehirn verbinden, z. B. Netzwerke, die Aufmerksamkeit und emotionale Reaktionen steuern. Es empfängt sensorische Informationen der externen Welt und dem Körper und leitet diese Informationen an Schlüsselstrukturen wie den Hypothalamus oder die Amygdala weiter. Allein diese anatomische Schaltung hat viel über die zentrale Rolle des DMN als sensorisch-viszeromotorische Verbindung im Zusammenhang mit sozialem Verhalten, Stimmungskontrolle und Motivation zu sagen, die alle wichtige Komponenten der Persönlichkeit sind. Es gibt zudem spezifische Regionen innerhalb des Netzwerks, die für selbstreferenzielle Urteile verantwortlich sind. Der hintere cinguläre Kortex ist eine besonders interessante Struktur, die konsistent mit der Erinnerung an Erfahrungen in Verbindung gebracht wurde.

Wenn deine Gedanken also während des sportlichen Wettkampfes abdriften, deine Aufmerksamkeit leidet, dein Fokus regelmäßig wechselt und du deine momentane Leistung bewertest, dann kannst du dir sicher sein, dass dein DMN gerade besonders aktiv ist.

Funktion des Default Mode Netzwerk

Wie bereits festgestellt, besteht das DMN aus einer Ansammlung von Hirnregionen, die weniger aktiv sind, wenn bestimmte Aufgaben ausgeführt werden, welche Konzentration und Aufmerksamkeit erfordern. Jedoch werden dieser aktiver, wenn eine Person wach ist und keine bewussten Aktivitäten ausführt. Dies können auch Routineabläufe im Sport sein.

Mehrere Studien haben das Vorhandensein von Antikorrelationen zwischen dem Default-Mode-Netzwerk und „aufgabenpositiven Netzwerken“ (engl. task-positive networks) festgestellt, d.h. Aufmerksamkeits- und Kontrollnetzwerken, die aktiv sind, wenn sich jemand auf neue, nicht selbstreferenzielle, zielgerichtete Aufgaben konzentriert. Während das Gehirn eine aktive Aufgabe ausführt, beruhigen sich die DMN-Areale, während die für diese Aufgabe wesentlichen Hirnregionen aktiviert werden. Das DMN aktiviert sich erneut, wenn die mentale Aufgabe beendet ist. Eine passende Metapher, die direkt in den Sinn kommt, ist „sich in der Arbeit verlieren“, was darauf hinweist, dass sich das DMN beruhigt und die Aufmerksamkeits- und Kontrollnetzwerke die Hoheit übernommen haben.

Eine gesunde Gehirnfunktion wird als ein adaptives Gleichgewicht zwischen dem Default Mode Netzwerk und den Netzwerken, welche Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle steuern, angesehen. Depressionen, Angstzustände, Stress und Aufmerksamkeitsdefizitstörungen sind Zustände, die durch eine abnehmende Wachsamkeit und eine Zunahme des inneren Dialogs zu negativen Gedanken gekennzeichnet sind. Dies ist technisch gesehen eine Unfähigkeit, die Aktivität des DMN zu unterdrücken. Gestresste Personen zeigen eine reduzierte Fähigkeit zur Deaktivierung des DMN sowie eine Zunahme seiner Basisaktivität. Dies deutet darauf hin, dass eine Unfähigkeit, das DMN zu hemmen oder von ihm zu aktivierbaren Aufmerksamkeitsnetzwerken zu wechseln, zu einer geringeren kognitiven Leistung führt. Daher ist das Gleichgewicht zwischen der Aktivierung und Deaktivierung des DMN wichtig für die Aufrechterhaltung einer gesunden Gehirnfunktion, einschließlich der exekutiven Funktionen, des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit.

Angesichts der Wechselbeziehung zwischen dem DMN, dem Abschweifen der Gedanken, der Aufmerksamkeit und folglich der sportlichen Leistungsfähigkeit im Training und Wettkampf stellt sich die Frage: Ist es möglich, dieses Netzwerk gezielt zu ändern, um den Fokus stärker auf das Hier und Jetzt auszurichten und damit einen wichtigen Beitrag für unsere sportliche Leistungsfähigkeit zu liefern?

Verbesserung des Default Mode Netzwerks durch mentales Training

Studien zeigen, dass mentales Training das DMN gezielt beeinflussen kann. Zum Beispiel zielen Meditationstechniken darauf ab, psychologische Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, emotionale Kontrolle, Körperbewusstsein und Selbstwahrnehmung zu verbessern. Während solcher Übungen lernen Athleten, sich zu fokussieren, ihre Gedanken, Emotionen und Körperempfindungen zu beobachten und zwischen ihnen zu unterscheiden.

Die wesentlichen Knotenpunkte des DMN sind bei Meditierenden weniger aktiv. Das bedeutet, dass sie weniger dazu neigen, in Gedanken zu schweifen. Die Beruhigung dieser neuronalen Schaltkreise beginnt als Zustandseffekt, der während oder unmittelbar nach der Übung zu beobachten ist, wird aber mit konsequentem Training zu einer dauerhaften Eigenschaft, zusammen mit einer verringerten Grundaktivität im DMN selbst. Interessanterweise zeigt sich, dass auch moderates Training bereits zu einer verringerten Aktivität des DMN führen kann. Daher wird sowohl während der Meditation als auch in Ruhe ein neuer Standardmodus aktiv.

Eine zweite Erkenntnis ist, dass erfahrene Meditierende effektiver „aufgabenpositive“ Hirnregionen aktivieren, wie diejenigen, die in unser Arbeitsgedächtnis und kognitive Kontrolle steuern. Dies deutet darauf hin, dass sportliche Leistungsfähigkeit nicht nur bedeutet, dass man weniger abgelenkt ist, sondern auch die Fähigkeit beinhaltet, sich bewusst zu werden, wenn man nicht bei der Sache ist, und dann die Aufmerksamkeit zurückzulenken. Dies nennt man Metabewusstsein und es ermöglicht eine bessere Kontrolle über Denken und Aufmerksamkeit. Die Netzwerke unseres Gehirns können gezielter und bewusster gesteuert werden. Durch das Üben, im gegenwärtigen Moment zu bleiben, können Athleten lernen, sich weniger in ihre Gedanken zu vertiefen und ihre Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zu lenken.

Die Kraft der Atemmeditation: Training des Geistes für Anfänger

Grundlegende Anweisungen zur Meditation beinhalten das Fokussieren auf das Atmen. Wenn unsere Gedanken abschweifen, bemerken wir es, lassen sie los und lenken unsere bewusste Aufmerksamkeit zurück zum Atem. Diesem zu folgen ist eine einfache und effektive Übung, um die Funktionsweise des DMN zu verbessern. Laut Studien reichen dazu bereits 2 Wochen an täglichem 20-minütigen Training aus – eine überschaubare zeitliche Investition, die jeder von uns sofort beginnen kann.

Obwohl es einfach klingt, ist das Atmen eine effektive Methode, um wichtige Teilsysteme im Gehirn zu trainieren. Die Konzentration auf das Atmen ist am stärksten mit der Aktivierung des dorsolateralen präfrontalen Cortex (PFC) des „central executive Netzwerkes“ (CEN) verbunden. Das Abschweifen der Gedanken steht mit dem DMN in Verbindung, und das Bewusstsein für dieses Abdriften wurde mit der Aktivierung im sogenannten „salience network“ verknüpft, das für die Moderation zwischen DMN und CEN verantwortlich ist. Die Verschiebung der Aufmerksamkeit zurück zum Fokus auf den Atem wird wieder mit Regionen im CEN in Verbindung gebracht.

Für Anfänger bedeutet diese Übung ein Wechselspiel zwischen voller Konzentration und einem wandernden Geist. Ein kritischer Moment tritt dann auf, wenn man plötzlich erkennt, dass man nicht mehr dem Atem fokussiert folgt: man wird abrupt darauf aufmerksam, dass man nicht das tut, was man beabsichtigt hatte. Dieser mentale Schritt hat eine neuronale Entsprechung: Er aktiviert und stärkt die Verbindung zwischen dem dorsolateralen PFC und dem DMN. Am Anfang bewusste Mechanismen werden mit zunehmender Übung immer mehr zu unbewusst ablaufenden Vorgängen. Der Geist, wenn dieser wieder einmal abschweift, beruhigt sich schneller und automatischer. Das gilt im Alltag, während des Trainings aber besonders in jenen Momenten, wenn sportliche Höchstleistungen gefragt sind.

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