Mentales Training ist entscheidend für sportliche Höchstleistungen, wird jedoch oft vernachlässigt. Obwohl die psychische Komponente als wichtig erkannt wird, integrieren nur wenige Athleten systematisches mentales Training in ihren Alltag. Hindernisse sind unter anderem festgefahrene Gewohnheiten, mangelnde Zeit und Priorisierung, unzureichendes Wissen, Misstrauen gegenüber unbekannten Techniken und das Fehlen geeigneter Konzepte. Ein wirksames Trainingskonzept muss diese Barrieren überwinden, wissenschaftlich fundiert und auf die spezifischen Anforderungen der Sportart und des Individuums zugeschnitten sein, um nachhaltige und tiefgreifende mentale Verbesserungen zu erzielen.
Alles wird im Kopf entschieden: In Ordnung, aber was jetzt?
Sportliche Aktivitäten sind voller Emotionen. Die Bandbreite ist groß und vielschichtig. Es geht um Glücksgefühle und Enttäuschungen, um Flow-Erlebnisse und Situationen von Ratlosigkeit, um Momente voller Nervosität und tiefer innerer Ruhe. Unsere sportliche Leistung wird beeinflusst, wenn wir mit unseren Gedanken nicht bei der Sache sind, sprich mit unserer Aufmerksamkeit nicht im Hier-und-Jetzt verankert. Umgekehrt erleben wir Momente ungeteilter und fokussierter Aufmerksamkeit, verbunden mit sportlicher Höchstleistung. Unsere mentalen Prozesse können die sportliche Leistung daher in verschiedene Richtungen beeinflussen. Wir alle haben die Erfahrung gesammelt, dass die Psyche eine zentrale Rolle spielt, sei es vor, während oder nach dem Training oder dem Wettkampf.
Regelmäßig begegnen uns im sportlichen Bereich Beispiele mentaler Natur. Oft werden sie dann sichtbar, wenn etwas nicht nach Plan funktioniert: der Golfer, welcher am letzten Loch an den einfachsten Bällen scheitert; die Fußballmannschaft, welche trotz drückender Überlegenheit den Vorsprung innerhalb weniger Minuten verspielt oder der Läufer, welcher schlagartig kurz vor dem Ziel einbricht. „Es ist zu 9o% mental, alles wird im Kopf entschieden“ sind beliebte Zurufe an Athleten in Wettkampfsituationen, oft auch Zurufe der inneren Stimme. Das mag inhaltlich zu einem gewichtigen Teil stimmen, nur kann die Person in diesem Moment damit kaum etwas anfangen. Ein ungläubiger Blick ist daher oft die Reaktion. Das legt den Finger in die Wunde eines systematischen Problems, wenn es um mentale Stärke im sportlichen Bereich geht.

Das mentale Trainingsparadoxon
Wir alle wissen, dass die mentale Komponente eine entscheidende Rolle in Wettkampfsituationen einnimmt, nur kaum einer trainiert es. Das ist ein weitverbreitendes Phänomen und steht im Widerspruch zum individuellen Erleben und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das wird oft als mentales Trainingsparadoxon bezeichnet. Die wenigsten Athleten entwickeln systematisch ihre Fähigkeiten, um das mentale Spiel auch erfolgreich gestalten zu können. Sie trainieren Technik, Ausdauer und taktisches Verhalten, vernachlässigen jedoch die Psyche. Dabei sind die vorliegenden Fakten erdrückend: am Training der mentalen Fähigkeiten führt für den erfolgreichen Athleten kein Weg vorbei.
An dieser Stelle lohnt sich die Suche nach Ursachen. Fasst man die Ergebnisse wissenschaftlicher Erkenntnisse zusammen, prüft vorhandene Angebote mentalen Trainings und reflektiert das Verhalten zusammen mit Athleten, so kristallisieren sich mehrere Problemfelder heraus. Diese stellen gleichsam Hürden dar, welche eine Person bei der Beschäftigung mit dem Thema mentaler Leistungssteigerung durchläuft.

Ursache 1: Gewohnheit siegt
Zuallererst geht es um Gewohnheit. Unser körperliches Training ist uns wohlvertraut und radikale Variationen in unseren Trainingsplänen finden nur selten statt. Neben dem körperlichen Training auch mentales Training auf die Agenda zu setzen, läuft unseren alltäglichen Gewohnheiten zuwider. Beim mentalen Training geht es eben darum einerseits Raum für eigenständiges, dediziertes Training zu finden, andererseits die mentalen Fähigkeiten auch während dem körperlichen Training zu trainieren. Das greift ein in vertraute Abläufe und Routinen des Alltags und erfordert Disziplin dies auch aufrechtzuerhalten.
Es ist daher viel einfacher die Formel „mehr vom selben“ zu verwenden, also Leistungssteigerung primär in höheren Umfängen und höheren Intensitäten körperlichen Trainings zu suchen. Hier benötigt es ein ausreichendes Umdenken, Änderungen im Trainingsverhalten zuzulassen. Die Erkenntnis, dass sich mentale Fähigkeiten systematisch entwickeln lassen, ist ein erster wichtiger Schritt. Genauso wichtig ist es, keine sofortigen Wunder zu erwarten. Allzu häufig erwarten Athleten kurz vor dem wichtigen Wettkampf noch einmal schnell die passenden mentalen Erfolgswerkzeuge an die Hand zu bekommen. Es ist utopisch zu erwarten, dass sich Effekte in aller Kürze einstellen und nicht ausreichend gefestigte mentale Fähigkeiten unter Wettkampfbedingungen abrufbar sind. Mentales Training resultiert in neuroplastische Veränderungen auf funktioneller und struktureller Ebene unseres Nervensystems. Nachhaltige, signifikante Veränderungen stellen sich erst nach Wochen oder Monaten regelmäßigen mentalen Trainings ein.
Ursache 2: Mangel an Zeit & Priorisierung von Aufgaben
Sportler haben einen permanent gefüllten Kalender. Hier sprechen wir nicht nur vom Profisportler, welcher einen umfangreichen Trainingsplan zu absolvieren hat, sondern auch vom ambititonierten Sportler, welche Beruf, Familie, Privatleben, Hobbies und eben auch den Sport zu schultern hat. In diesem Kalender noch Zeit für mentales Training zu finden ist schwierig. Ohne aktives Zutun wird physisches Training stets eine höhere Priorität als mentales Training erfahren.
Die Priorisierung von Tätigkeiten ist eng mit dem Thema des Commitment verbunden. Es bezieht sich auf die Bereitschaft, sich aktiv während und neben dem Sport für dieses Ziel einzusetzen und sich dafür zu engagieren, auch wenn es Herausforderungen oder Schwierigkeiten gibt. Im Kontext des mentalen Trainings im Sport bezieht sich dies darauf, sich konsequent dem Training und der Entwicklung mentaler Fähigkeiten zu widmen.
Ohne starkes Commitment mentales Training zu einem wesentlichen Bestandteil des Trainings und Alltags zu machen, werden wir keine Fortschritte sehen. Das ist kein leichtes Unterfangen. Im Gegenteil: es benötigt ein Einbringen von Zeit und Energie sowie die Bereitschaft sich auf etwas einzulassen, was Athleten üblicherweise in dieser Form noch nicht praktiziert haben. Wenige Minuten pro Tag dafür zu investieren, kann dabei bereits gute Fortschritte bewirken.
Ursache 3: Mangelndes Wissen
Die Bedeutung der mentalen Komponente ist mittlerweile unbestreitbar. Dennoch ist oft unklar, was man genau darunter versteht. Mentales Training wird oft als Training von Motivations-, Zielsetzungs- oder Reflexionstechniken verstanden, welches losgelöst vom eigentlichen Training stattfindet. Die traditionellen Techniken der Sportpsychologie gehen dabei oft nicht tief genug. Damit geht eine mangelnde Zieldefinition mentalen Trainings einher, was man genau erreichen möchte.
Zudem ist oft unklar, welcher Weg zu einer Verbesserung der Fähigkeiten führt und damit ein Mangel an Handlungsmöglichkeiten. Gerade Athleten profitieren von klaren Vorgaben und Schritten innerhalb eines gewohnten Trainingsplans. Mentales Training muss im Kontext der gelebten Erfahrung – sprich des Trainings und Wettkampfes – stattfinden, um die Entwicklung effektiver Bewältigungsmechanismen voranzutreiben. An dieser Stelle begegnet uns auch ein Messproblem. Körperliche Leistung ist im Allgemeinen gut messbar und Fortschritte damit steuerbar. Die mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und Entscheidungen hervorbringt ist dagegen nicht so einfach greifbar und vollzieht sich zu großen Teilen im Stillen unseres Geistes. Fortschritte beim Training zum Beispiel erhöhter Aufmerksamkeit sind daher eher schwerer feststellbar. Hier beruht vieles auf Intuition und direkte Erfahrung durch den Athleten.
Ursache 4: Misstrauen gegenüber dem Unbekannten
Die Techniken mentalen Trainings sind oft mit einem Label des Esoterischen, Spirituellen oder Religiösen behaftet. Dies gilt zum Beispiel für Ansätze, welche sich aus dem Bereich der Meditation, Yoga oder Atemtechniken herleiten. Viele wirkungsvolle Praktiken sind so mit einer Hülle umgeben, welche für die westliche säkulare Welt eher befremdlich wirken. Damit geht unter, dass der Kern dieser Praktiken mittlerweile auf einem soliden wissenschaftlichen Konzept beruht und völlig losgelöst von einem spirituellen Kontext trainiert werden kann.
Sportpsychologische Ansätze wirken auf Athleten oft zu weich und es mangelt an praktischer Tiefe. Oft leiden sich diese Techniken aus der Behandlung psychologischer Auffälligkeiten ab und haben in diesem Bereich eine wichtige therapeutische Stellung. Diese Ansätze sind daher im Kopf der Allgemeinheit vorwiegend für „krankhafte Auffälligkeiten“ gemacht. Bei der Steigerung der Leistungsfähigkeit für „gesunde Personen“ müssen diese Ansätze damit auch ein dediziertes, wenig hilfreiches Label mit sich tragen. Auch hier sprechen wir jedoch von einer Reihe vielfach ausgereifter, wissenschaftlich gut untersuchter Techniken, welche für den Einsatz im Bereich sportlicher Leistungen passend sind.
Ursache 5: Mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Konzepte
Es mangelt an Trainingskonzepten, die die Spezifität sportlicher Anforderungen, empirisch validierte Techniken und bewährte formelle Praktiken sinnvoll miteinander verbinden. Verschiedene Praktiken fehlen teilweise noch konkrete Mechanismen, während die Wissenschaft auf der anderen Seite zwar über viele verstandene Mechanismen verfügt, jedoch weniger spezifische Praktiken vorzuweisen hat. Das Ziel muss darin bestehen, diese Lücke zu überbrücken und auf die Besonderheiten des Sports einzugehen.
Körper und Geist lassen sich nur in der Theorie sauber trennen. Oft wird unter der Psyche nur die bewusste Ebene verstanden. Das greift zu kurz: wir benötigen ebenso ein Training der unbewussten Ebene, der Verbindung zwischen Körper und Geist sowie die Integration von Informationen, welche in dem System fließen. Daher ist auch der Begriff „mentales Training“ im strengeren Sinne zu kurz greifend. Es muss vielmehr für das Training mentaler Fähigkeiten in direkter Verbindung zu unseren körperlichen Fähigkeiten stehen. In dieser Weise kann man es auch als einen hybriden Ansatz bezeichnen.
Zudem mangelt es an einem umfassenden Ansatz. Es geht halt nicht nur um Höchstleistung in einer Wettkampfsituation, sondern auch um die mentale Komponente während Training, Regeneration und jenseits des Trainings. Damit verbunden ist auch die Fähigkeit Freude am Sport zu empfinden, zu bewahren und Stresssituationen im Sportalltag handhabbar zu machen.
Was folgt: Anforderungen an ein Konzept mentalen Trainings
Ein wirksames Trainingskonzept mentalen Trainings muss die oben aufgeführten Ursachen dieser paradoxen Situation auflösen. Dabei sollte sich auch jeder Athlet die Frage stellen, welche der Ursachen für sie oder ihn besonders zutreffend sind.
Es muss verinnerlicht und verstanden werden, dass mentales Training eine zentrale Komponente für den sportlichen Erfolg darstellt, trainiert werden kann und muss. Empirisch bewährte und wissenschaftlich fundierte Sachverhalte und Ergebnisse sollten dafür die Grundlage bilden. Effektive Trainingskonzepte sollten an die sportspezifischen Besonderheiten der Sportart und des sportlichen Zieles andocken und den Finger in die Wunde mentaler Limitationen und Herausforderungen legen.
Nachhaltiges Wachstum mentaler Fähigkeiten beruht auf neuroplastischen Vorgängen und tiefgreifenden Veränderungen in der Wirkung unseres Nervensystems. Wie das Training des Körpers bedarf dies Zeit und regelmäßiger Übung. Dies erreicht ein wirksames Konzept durch aufeinander aufbauende Schritte und das direkte Erfahren der Wirksamkeit in Trainingselementen. Dadurch ermöglicht das Konzept einen einfacheren Zugang und fundierteres Verstehen der Thematik.
Während mentales Training typischerweise eine konzentrierte Aufmerksamkeit und bewusste Übung erfordert, kann es, sobald es gemeistert ist, nahtlos in verschiedene Aktivitäten integriert werden. Dies umfasst Aktivitäten im Zusammenhang mit Sport oder anderen Tätigkeiten des täglichen Lebens. Auf diese Weise wird das anfängliche Training mentaler Fähigkeiten automatisch und nahezu mühelos auf andere Aktivitäten ausgeweitet und als fester Bestandteil des täglichen Lebens etabliert.


1 Initiales Training
Spezifische mentale Übungen, um Fähigkeiten wie Achtsamkeit, Konzentration und Emotionsregulierung zu entwickeln.

2 Integration
Sobald diese Fähigkeiten entwickelt sind, erfolgt die Anwendung während sportlicher Aktivitäten. Man lernt, sich zu konzentrieren, Emotionen zu regulieren und im Moment präsent zu bleiben, während man sich in diesen Aktivitäten befindet.

3 Leistung
Im Laufe der Zeit führt die Integration von mentalen Trainingsmethoden zu einer Leistungssteigerung. Personen erleben eine verbesserte Konzentration, schnellere Erholung von Rückschlägen und eine gesteigerte Wahrnehmung.

4 Feedback
Durch die Integration mentalen Trainings in die sportliche Aktivität erfolgt ein sofortiges Feedback zur Wirksamkeit der Methoden. Athleten können ihre mentalen Strategien basierend auf Echtzeit-Erfahrungen anpassen und verfeinern.

5 Alltag
Mentales Training wird als Teil des täglichen Lebens verankert und erstreckt sich über spezifische Aktivitäten hinaus. Athleten lernen, diese Techniken in verschiedenen Kontexten anzuwenden, was zu größerer kognitiver Flexibilität führt.