Die Neuroplastizität des Gehirns ist entscheidend für sportliche Entwicklungen. Das flexible Nervensystem kann sich an Umweltreize und innere Ziele auf zellulärer Ebene anpassen. Durch bewusste Aufmerksamkeit, Konzentration und Ruhe können wir diese neuroplastischen Veränderungen gezielt beeinflussen und damit die Funktionsweise des Unterbewusstseins verändern. Damit überführen wir Training in stabile, automatisiert ablaufende körperliche Abläufe. Neuroplastizität bedeutet dabei nicht, dass es sich leicht anfühlen muss. Im Gegenteil: Bewusst gesteuerte Veränderungen arbeiten gegen den Widerstand etablierter Verhaltensweisen. Dazu benötigt es wirksame Hilfsmittel. Schlaf und mentales Training wie Meditation spielen dabei eine entscheidende Rolle und basieren auf wissenschaftlichen Mechanismen, an welchen kein Athlet vorbeikommt.

Das flexible Nervensystem: Grundlage für sportliche Verbesserungen

Das Nervensystem ist für Veränderung gemacht und darauf vorbereitet. Jedes Gehirn beginnt als relativ strukturloses, aber äußerst flexibles Netzwerk von Nervenzellen. Es hat die Fähigkeit, sich genauso zu verdrahten, dass es sich am besten an seine individuelle Umgebung mit ihren einzigartigen Anforderungen anpasst. Ohne diese Eigenschaft wären nicht nur unsere sportlichen Leistungsfähigkeiten, sondern auch unsere kognitiven Fähigkeiten und unser Wesen als Menschen fest und unveränderlich verdrahtet.

Alles, was wir denken, fühlen, wahrnehmen und wie wir handeln, hat seinen Ursprung im Nervensystem. Das gilt auch für alles, was mit sportlichen Leistungen zu tun hat. Unsere motorischen Fähigkeiten werden über das Nervensystem koordiniert und die Effekte des Trainings beruhen auf stabilen, neuroplastischen Veränderungen. Daher ist es lohnend, sich näher mit diesem Thema zu befassen und die zugrunde liegenden Grundprinzipien zu verstehen.

Neuroplastizität: Die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems

Neuroplastizität bezieht sich auf strukturelle und funktionale Veränderungen unseres Nervensystems. Diese Veränderungen sind Folgen neuronaler Aktivität, ausgelöst durch externe Reize oder interne Rückkopplungen. Sie führen zu Modifikationen neuronaler Muster. Plastizität ist daher eine intrinsische Eigenschaft des menschlichen Gehirns. Es ist eine Erfindung der Evolution, um dem Nervensystem zu ermöglichen, den Beschränkungen seines eigenen Genoms zu entkommen, denn nicht jede neuronale Verknüpfung ist genetisch vorbestimmt. Damit ist es möglich sich an Umweltbedingungen, physiologische Veränderungen, intrinsische Wünsche und Erfahrungen anzupassen.

Eine Vielzahl von Untersuchungen legt nahe, dass die erfahrungsabhängige Neuroplastizität weitgehend durch Neubildung von Synapsen, Veränderungen in der dendritischen Verzweigung und Veränderungen in nicht-neuronalen Zellen wie Gliazellen vermittelt wird. Diese Veränderungen gehen über rein strukturelle Veränderungen hinaus. Sie umfassen zum Beispiel ebenso Veränderungen in der Freisetzung von Neurotransmittern. Als Ergebnis unterliegen unsere neuronale Hardware und Software permanenten Veränderungen.

Unterschiedliche Arten der Neuroplastizität

Von der Geburt bis etwa zum 25. Lebensjahr ist das junge Gehirn eine Plastizitätsmaschine. Diese entwicklungsbedingte Plastizität ist größtenteils ein passiver Prozess. Es genügt vorrangig die Exposition gegenüber Umweltbedingungen. Doch auch im Erwachsenenalter sind die emotionalen Schaltkreise keineswegs fixiert. Sie zeigen eine hohe Formbarkeit, Elastizität und behalten diese Veränderungen bei. Die zugrunde liegenden Vorgänge unterscheiden sich jedoch signifikant.

Frühe Veränderungen im Leben können durch passive Exposition entstehen, obwohl Aufmerksamkeit und Fokus neuroplastische Veränderungen begünstigen. Später im Leben sind die bewusste Aufmerksamkeit des Organismus auf Reize, die Bedeutung dieser Reize für den Organismus und eine regelmäßige Wiederholung entscheidend für neuroplastische Veränderungen. Wir müssen uns einem vollkommen anderen Mechanismus zuwenden, um Plastizität zu schaffen. Plastizität wird mehr zu einem aktiv gesteuerten Prozess. Das heißt nicht, dass keine passiv induzierten Veränderungen stattfinden, sie sind einfach seltener und weniger wirkungsvoll da unser Nervensystem insgesamt stabiler verdrahtet ist.

Dies liegt daran, dass plastische Veränderungen metabolisch kostspielig sind. Für das sich entwickelnde, jugendliche Gehirn ist dies eine besonders lohnende evolutionäre Investition. Für das erwachsene Gehirn besteht mehr ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Neuroplastizität. Dies führt zu einem Gehirn, das sowohl fest und zuverlässig ist, wo es sein kann, als auch anpassungsfähig, wo es sein muss. Veränderungen zu induzieren, erfordert Energie, und diese muss bewusst bereitgestellt werden.

Die Unterschiede in der Anfälligkeit der neuronalen Schaltkreise für Veränderungen in Jugend und Erwachsenenalter können auf grundlegende Unterschiede in der neuronalen Struktur zurückzuführen sein, einschließlich der Anordnung von Zellen und Dendriten, der Myelinisierung, von Zelladhäsionsmolekülen sowie Gliazellen. Darüber hinaus ist das molekulare Umfeld des jungen Gehirns anders: Mit zunehmendem Alter werden Enzyme, die einst neuronale Veränderungen unterstützten, durch Enzyme ersetzt, die für neuronale Stabilität sorgen.

Zutaten für Neuroplastizität

Die Hauptbestandteile für bewusst („top-down“) initiierte Neuroplastizität sind Exposition, Aufmerksamkeit, Konzentration und Ruhe. Der erste Schritt besteht darin, sich relevanten Reizen auszusetzen, wie zum Beispiel sportlichen Aktivitäten oder jeder anderen Art von Aktivität, in der Sie Ihre Leistung verbessern möchten. Der zweite Schritt in der Neuroplastizität besteht darin, zu erkennen, dass Sie etwas ändern möchten. Ihr Gehirn wird sich nicht ändern, wenn es keine selektive Verschiebung Ihrer bewussten Aufmerksamkeit (Bewusstheit) auf das gibt, was Sie ändern möchten. Neuroplastizität beginnt daher mit bewusster Selbstwahrnehmung. Der dritte Schritt besteht darin, sich zu konzentrieren und diese Konzentration auf das Objekt der Änderung zu richten. Es geht darum, einen fokussierten Scheinwerfer der Aufmerksamkeit zu schaffen und diesen gezielt auf kontrollierte Weise zu verändern. Die Neuroplastizität wird dabei von spezifischen Molekülen (Neurotransmitter) wie Epinephrin und Acetylcholin gesteuert, welche in diesen Zuständen günstiger Neuroplastizität erhöhte Konzentrationen aufweisen. Zu guter Letzt bieten Training und Lernen nur die Reize für eine Anpassung des Nervensystems. Die Anpassung selbst erfolgt nach dem Training. Hier kommen Ruhe und Schlaf ins Spiel. An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie wir diese Zutaten positiv beeinflussen können, um unsere neuroplastischen Fähigkeiten zu verbessern.

Unterstützung der Neuroplastizität durch mentales Training

Wir müssen aufmerksam sein, um uns konzentrieren zu können, und wir müssen uns konzentrieren, um Verbindungen auf zellulärer Ebene zu verändern. Nicht jede Erfahrung verändert das Gehirn; nur Erfahrungen, denen man äußerst aufmerksam folgt, die man in einen intensiven Fokus setzen und zu denen man einen Abstand der Ruhe schafft.

Meditation kann als eine Form des mentalen Trainings definiert werden, das darauf abzielt, psychologischen Fähigkeiten zu verbessern, wie zum Beispiel Aufmerksamkeit, Fokus, Selbstwahrnehmung und emotionale Selbstregulation, Arbeitsgedächtnis und alle anderen Arten von höheren exekutiven Funktionen. Diese Fähigkeiten manifestieren sich nicht nur während der Meditationsübung, sondern werden mit ausreichender Praxis zu stabilen Eigenschaften im Alltag. Dadurch übertragen sich verbesserte bewusste Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit auch direkt auf das Training. Daher sind Meditationstechniken, die auf diese mentalen Fähigkeiten abzielen, sehr gut geeignete Techniken zur Stimulation neuroplastischer Effekte im Kontext des Sports. Je intensiver die bewusste Aufmerksamkeit und Konzentration ist, desto stärker sind die Veränderungen und desto besser ist der anhaltende Trainingseffekt.

Schon wenige Minuten täglicher Übung haben überraschende Auswirkungen. Je mehr Stunden man übt, desto größer sind aber die nachweisbaren Effekte. Eine verbesserte Aufmerksamkeit und Konzentration verankern sich mit ausreichender Übung selbst in neuroplastischen Veränderungen. Die Gehirnregionen, mit denen die Effekte des mentalen Tainings auf die Aufmerksamkeit am konsistentesten verbunden sind, sind der vordere cinguläre Cortex, der dorsolaterale präfrontale Cortex und das Striatum. Der hintere cinguläre Cortex und die Inselrinde zeigen eine höhere Verbindung zum Prozess der Wahrnehmung. Alle diese Bereiche zeigen während der Meditation eine erhöhte Aktivierung und auch, was noch wichtiger ist, im Ruhezustand. Neben einzelnen Gehirnbereichen arbeiten auch ganze Netzwerke einschließlich Knotenpunkte und Verknüpfungen, die bei der Fokussierung sowie bei der Aufrechterhaltung und Steuerung der bewussten Aufmerksamkeit beteiligt sind, deutlich effektiver. Es kommt also auch auf das orchestrierte Zusammenspiel der Gehirnregionen an. Untersuchungen zur Steuerung unserer Aufmerksamkeit zeigen beispielsweise, dass der vordere cinguläre Cortex und das Striatum eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung des Zustands spielen, während die Inselrinde eine wesentliche Rolle beim Wechsel zwischen Zuständen hat.

Ruhe und Schlaf als Schlüssel nachhaltiger Veränderungen

Die Fähigkeit bewusster Aufmerksamkeit und Konzentration wird maßgeblich durch unseren Schlafrhythmus beeinflusst. Ohne ausreichend Ruhe und Schlaf leidet unser Bewusstsein und wir können uns kaum konzentrieren. Die Plastizität des Nervensystems hängt davon ab, wie wach oder müde wir sind.

Darüber hinaus zeigen Untersuchungen, dass unmittelbar nach dem Training zwar kleine Verbesserungen möglich sind, die relevanten und bleibenden Trainingseffekte sich jedoch erst in der ersten Nacht des Schlafes entwickeln. Während der Großteil des schlafabhängigen motorischen Lernens in der ersten Nacht nach dem Training erfolgt, bieten zusätzliche Nächte des Schlafs dennoch kontinuierliche Verbesserungen.

Die Festigung unseres Gedächtnisses – die Umwandlung labiler Gedächtnisspuren in stabile Langzeitdarstellungen – wird durch den Schlaf erleichtert. Im Schlaf erfolgt das wiederholte Abspielen von neuronalen Aktivitätsmustern, die während des Wachzustands auftraten. Studien zeigen eine erhöhte Aktivität während des Schlafs vor allem in den Hirnbereichen, die auch während des Trainings besonders aktiv waren.

Unser Ruhe- und Schlafverhalten wird durch unser zentrales, aber auch durch unser autonomes peripheres Nervensystem beeinflusst. Körper und Geist müssen zur Ruhe kommen, um ausreichend langen und tiefen Schlaf zu finden, der für neuroplastische Veränderungen zwingend erforderlich ist. An dieser Stelle können verschiedene Techniken des mentalen Trainings helfen, insbesondere solche mit beruhigender Wirkung. Meditationsbasierte Ansätze in Kombination mit Atemtechniken haben sich in Studien als besonders wirksam erwiesen, insbesondere für Sportler, die aufgrund der körperlichen Belastung oft Schwierigkeiten haben, sich zu entspannen.

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