Emotionen und Gefühle sind ständige Begleiter im Sport, die maßgeblich deine Leistung beeinflussen können. Im Leistungssport entstehen durch Stress und Druck eine Vielzahl an Emotionen, die Athleten auf unterschiedliche Weise herausfordern. Die Wissenschaft zeigt: Ein ausgewogenes Maß an Gefühlen und Emotionen ist entscheidend – sowohl Über- als auch Unterregung können die Leistung mindern. Zu verstehen, wie diese entstehen und welche Rolle unser Körper und unser Gehirn dabei spielen, ist essenziell. Nur wer lernt, mit Emotionen und Gefühlen wirkungsvoll umzugehen, kann im Sport seine wahre Leistungsfähigkeit entfalten und als Kompass für den sportlichen Erfolg nutzen.
Gefühle beeinflussen deine sportliche Leistung
Täglich erleben wir Emotionen als Reaktion auf unsere Umwelt und die Reize, die unsere Erfahrungen bereichern. Die Eigenschaften dieser Reize rufen Reaktionen hervor, die durch den emotionalen Kontext der jeweiligen Situation geformt werden. Gerade im Leistungssport ist das Umfeld geprägt von Stress, Druck und Herausforderungen, die eine Vielzahl von Empfindungen, Gefühlen und Emotionen auslösen. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass diese Emotionen eng mit der Leistung zusammenhängen. Die Wissenschaft zeigt, dass sich sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Emotionen negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.
Ein gutes Beispiel dafür ist Angst – vielleicht die am besten untersuchte Emotion im Sport. Ein gewisses Maß an Angst ist förderlich: Keine Angst führt nicht zu der notwendigen Anspannung, um Höchstleistungen zu erbringen, während zu viel Angst die Leistung einschränkt. Deshalb werden Emotionen in ihrer Intensität und Valenz (d.h. ob sie als angenehm oder unangenehm empfunden werden) in so genannten individuellen Leistungszonen operationalisiert. Innerhalb einer solchen Zone liegen die emotionalen Intensitäten, die am ehesten mit optimaler Leistung einhergehen.
Leistungssport ist eine der größten Herausforderungen für Körper und Geist. Kein Wunder, dass er eine Vielzahl von Empfindungen, Gefühlen und Emotionen auslöst. Ignorieren ist jedoch keine Lösung – Athleten müssen lernen, diese Gefühle zu verstehen und mit ihnen auf tiefster Ebene umzugehen, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

Empfindungen, Emotionen und Gefühle
Die Art und Weise, wie Empfindungen, Emotionen und Gefühle zusammenwirken, gleicht oft einem komplexen Knäuel aus bewussten und unbewussten Wahrnehmungen, die unsere Gedanken, unser Verhalten und unser allgemeines Bewusstsein maßgeblich beeinflussen. Um Klarheit in diese Konzepte zu bringen, lohnt es sich, sie genauer zu betrachten und voneinander abzugrenzen:
- Empfindungen sind die „Rohdaten“, die unser Körper durch unsere Sinne (Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen, Riechen) aus der Umwelt aufnimmt. Es handelt sich dabei um vorwiegend physiologische Reaktionen auf externe Reize oder Signale aus dem Körperinneren. Empfindungen entstehen direkt durch den Kontakt unserer Sinnesorgane mit einem Reiz.
- Emotionen sind komplexe, automatische Reaktionen auf bestimmte Situationen, die sowohl psychologische als auch physiologische Prozesse umfassen. Emotionen gehen oft mit körperlichen Reaktionen wie einem erhöhten Puls oder veränderter Atmung einher. Sie sind in der Regel intensiv und von kurzer Dauer, entstehen häufig spontan als Reaktion auf ein Ereignis oder einen Gedanken.
- Gefühle sind subjektive Erlebnisse, die auftreten, wenn wir über unsere Emotionen und Empfindungen nachdenken und sie interpretieren. Sie sind bewusster und basieren auf kognitiver Verarbeitung, beeinflusst durch unsere Gedanken, Überzeugungen und Erinnerungen. Gefühle sind sehr individuell und variieren stark zwischen verschiedenen Menschen. Im Gegensatz zu den automatischen Emotionen haben wir über unsere Gefühle mehr Bewusstheit und Kontrolle.
Diese Konzepte lassen sich als eine Hierarchie von Wahrnehmungen verstehen, die teils unbewusst, teils bewusst ablaufen. Während Empfindungen eher physische und unmittelbare Reaktionen auf Reize sind, repräsentieren Emotionen automatische, körperliche und mentale Reaktionen. Gefühle hingegen sind die bewusste Reflexion und Interpretation dieser Emotionen und Empfindungen. Mit anderen Worten: Gefühle entstehen aus unseren Gedanken über die Emotionen und werden durch diese Gedanken verfestigt. Interessanterweise verwenden wir im Alltag das Wort „fühlen“ sowohl für physische als auch für emotionale Zustände.

Wenn Emotionen und Gefühle bewusst werden
Ein zentraler Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen liegt darin, dass Gefühle bewusst erlebt werden, während Emotionen größtenteils unbewusst ablaufen. Gefühle entstehen, nachdem eine körperliche Empfindung oder emotionale Erfahrung stattgefunden hat und werden bewusst wahrgenommen. Emotionen hingegen manifestieren sich vorwiegend im Unterbewusstsein und stehen in Verbindung mit Gedanken, Wünschen und Handlungen.
Besonders spannend wird es, wenn Empfindungen und Emotionen in unser Bewusstsein vordringen. Ab diesem Punkt beginnt unser Verstand aktiv einzugreifen – sowohl auf positive als auch auf negative Weise. Es sind die affektiven Elemente, die sich, sobald sie stark genug sind, in den Fokus des Bewusstseins drängen und sich bemerkbar machen. In der Emotionsforschung wird der Begriff Affekt verwendet, um einen allgemeinen emotionalen Zustand zu beschreiben, ohne dabei eine spezifische Art von Emotion oder Zustand zu benennen. Affekt bezieht sich auf das allgemeine Gefühl, das wir im Laufe des Tages erleben, und besteht aus zwei Komponenten: dem Grad der angenehmen oder unangenehmen Empfindung und dem Maß an Erregung oder Beruhigung. Selbst ein neutraler Zustand ist eine Form des Affekts.
Um gezielt mit Empfindungen, Emotionen und Gefühlen umgehen zu können, ist es entscheidend, diese Konzepte klar zu differenzieren. Besonders im Sport ist es unrealistisch – und auch nicht wünschenswert – in einem Zustand völliger Emotionslosigkeit oder Gefühlslosigkeit zu agieren. Vielmehr geht es darum, in den intensiven Momenten des sportlichen Alltags einen bewussten und zielgerichteten Umgang mit diesen inneren Prozessen zu finden.
Emotionen entstehen im Körper
Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass der so genannte Affekt ein grundlegender Mechanismus des menschlichen Nervensystems und ebenso wie andere Sinneseindrücke ein wesentlicher Bestandteil des Bewusstseins ist. Wenn das Gehirn beispielsweise Lichtwellen verarbeitet, erleben wir Helligkeit, Dunkelheit und Farben. Verarbeitet es Schallwellen, nehmen wir Geräusche wahr. Auf ähnliche Weise entstehen angenehme oder unangenehme Gefühle, wenn unser Gehirn während der sportlichen Aktivität Veränderungen in unserem Körper wahrnimmt.
Interozeption beschreibt den Prozess, bei dem das Nervensystem Signale aus dem Körperinneren aufnimmt, interpretiert und integriert. Sie liefert eine Momentaufnahme des inneren Zustands unseres Körpers, sowohl auf bewusster als auch auf unbewusster Ebene. Diese Signale spielen eine zentrale Rolle bei Reflexen, Impulsen, Gefühlen und kognitiven Prozessen. Die Interozeption hilft uns also, unser inneres Gleichgewicht (die so genannte Homöostase) aufrechtzuerhalten und unser Überleben zu sichern. Ein unangenehmes Gefühl muss nicht immer auf ein Problem hinweisen – manchmal bedeutet es einfach, dass unser Körper „überlastet“ ist. In jedem Moment gibt das Gehirn unseren Empfindungen eine Bedeutung, und einige davon sind interozeptive Signale, die die Quelle unserer Gefühle und Emotionen sein können.
Obwohl die Interozeption den gesamten Körper betrifft, arbeiten bestimmte Hirnregionen zusammen, um ein interozeptives Netzwerk zu bilden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das so genannte Default-Mode-Netzwerk, das bei vielen mentalen Zuständen aktiv ist. Dieses Netzwerk ist entscheidend für unsere Gefühle und Emotionen. Keine Entscheidung und keine Handlung ist frei von Interozeption, auch wenn wir uns manchmal einreden, rational zu handeln: Was du jetzt fühlst, beeinflusst, was du in Zukunft fühlen und tun wirst.
Um deine interozeptiven Fähigkeiten zu testen, kannst du dich auf deinen Herzschlag konzentrieren. Je genauer du deinen Herzschlag spürst, desto besser kannst du den inneren Zustand deines Körpers bewusst lesen. Im weiteren Sinne geht die Interozeption auch mit dem gesteigerten Körperbewusstsein einher, welches z.B. durch Techniken der Meditation gezielter für Athleten trainiert werden kann.
Wie dein Gehirn dein sportliches Erleben formt
Auch wenn im Sport oft der Körper im Mittelpunkt steht, bleibt das Gehirn unser mächtigstes Wahrnehmungsorgan – vor allem, wenn es um Emotionen geht. Emotionen werden nicht einfach erlebt, sondern konstruiert: Nach diesem Ansatz formt unser Gehirn in jedem Wachzustand mentale Zustände wie Körperempfindungen, Gedanken und Emotionen auf Basis von situativen Konzepten. Dabei werden drei Arten von Reizen kombiniert: sensorische Signale von außen (exterozeptive Wahrnehmung), sensorische Signale von innen (interozeptive Wahrnehmung) und unsere Erfahrungen (auch Gedächtnis oder Kategorienwissen genannt). Diese Quellen sind ständig verfügbar, und ihre Verarbeitung bildet die Grundlage für alle mentalen Prozesse. Unterschiedliche „Rezepte“ – also die jeweilige Kombination und Gewichtung dieser Reize – erzeugen die Vielfalt unserer mentalen Erfahrungen, einschließlich Wahrnehmungen, Emotionen und Gefühle. Beispielsweise konstruiert unser Gehirn aus einem schmerzenden Muskel (internes Signal), dem Wettkampfdruck (externes Signal) und der Erfahrung, dass ein langer Wettkampf anstrengend ist, das Konzept der Erschöpfung und bereitet wiederum automatisch körperliche Veränderungen vor, die unsere Gefühle beeinflussen.
Die Simulation ist der Standardmodus unserer mentalen Aktivität. Es sind die Vermutungen, die unser Gehirn darüber anstellt, was in der Welt vor sich geht. Jede Sekunde werden wir von unseren Sinnen mit mehrdeutigen und verwirrenden Informationen konfrontiert. Unser Gehirn greift auf vergangene Erfahrungen zurück, um eine Hypothese – eine Simulation – zu erstellen, und vergleicht diese mit den eingehenden Sinnesdaten. Auf diese Weise gibt unser Gehirn dem sensorischen „Rauschen“ eine Bedeutung, filtert das Relevante heraus und blendet den Rest aus. Diese mentale Welt ist geprägt von unserer Geschichte und unseren aktuellen Bedürfnissen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass unsere Wahrnehmungen der Welt – was wir sehen, hören, fühlen, schmecken oder riechen – hauptsächlich Simulationen und keine reinen Erfahrungen sind. Diese Simulationen basieren auf Konzepten, die unser Gehirn automatisch und unsichtbar abruft, so dass unsere Sinneswahrnehmungen reflexartig erscheinen, obwohl sie in Wirklichkeit konstruiert sind.
Unser Verstand sucht nach kausalen Erklärungen und hat Schwierigkeiten, reine Erfahrungen zu akzeptieren. Wenn unsere Aufmerksamkeit auf ein Ereignis gelenkt wird, sucht unser assoziatives Gedächtnis automatisch nach einer Ursache, die oft schon als erklärende Konzepte gespeichert ist. Gefühle und Emotionen können dadurch verzerrt werden, da sie vom Kontext und unserer Interpretation abhängen. Wenn wir akzeptieren, dass viele belastende Emotionen im Sport in gewisser Weise Illusionen sind, dann kann mentales Training als ein Prozess der Auflösung dieser Illusionen betrachtet werden. Je tiefer wir den Prozess durchschauen, desto bessere Entscheidungen können wir treffen.
Emotionen und Gefühle als innerer Kompass beim Sport
Die Entscheidung, etwas anzustreben oder zu vermeiden, ist eine der grundlegendsten menschlichen Verhaltensweisen. Gefühle sind dabei das Werkzeug, das die Evolution entwickelt hat, um uns zu der – aus ihrer Sicht – richtigen Entscheidung zu führen. In solchen Momenten denken wir nicht lange nach, sondern handeln. Gefühle sind tief in uns verankerte, schnelle und effiziente Entscheidungshilfen. Als Sportler bedeutet ein schlechtes Gefühl aber nicht immer, dass etwas nicht stimmt. Es zeigt vielmehr, dass du deinen „Körperhaushalt“ belastest. Gerade bei intensivem Training und in Wettkampfsituationen gerät dieser aus dem Gleichgewicht, was völlig normal ist. Dein Affekt gibt dir keine klare Handlungsanweisung, sondern fordert dein Gehirn auf, nach einer Erklärung zu suchen.
Gefühle geben Empfindungen eine Bedeutung. Ohne sie wären Empfindungen nur neutrale Signale. Gefühle sind sozusagen unsere erste Verteidigungslinie und dienen dem Gehirn als automatisiertes Bewertungswerkzeug. Sie helfen, Gedanken zu gewichten und bestimmen, welche in unser Bewusstsein gelangen. Von allen Gedanken, die in einem Moment um Aufmerksamkeit konkurrieren, dringt oft derjenige ins Bewusstsein, der das größte emotionale Gewicht hat.
Die Hauptfunktion von Empfindungen, Gefühlen und Emotionen besteht darin, uns auf Handlungen vorzubereiten und uns zu einer möglichen Lösung zu führen. Wenn wir auf sie hören, können sie uns wertvolle Hinweise geben. Ignorieren wir jedoch unsere Gefühle und versuchen, uns „durchzubeißen“ und dies als mentale Härte zu deklarieren, laufen wir Gefahr, unsere eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu übersehen. Gleichzeitig basieren viele unserer Gefühle auf Simulationen in unserem interozeptiven Netzwerk – wir fühlen oft das, was unser Gehirn denkt. Aus Sinneseindrücken und vergangenen Erfahrungen konstruiert das Gehirn Bedeutungen und bestimmt Handlungen. Wenn wir also davon überzeugt sind, dass ein Wettkampf zu einem bestimmten Zeitpunkt hart sein muss, wird er uns auch so erscheinen.
Gefühle wurden entwickelt, um Urteile über den eigenen Zustand und die Umwelt zu fällen. Das Problem: Die Evolution hat unsere Gefühle in einem Umfeld geprägt, das mit dem heutigen Leistungssport nichts zu tun hat. Wenn uns Gefühle gut erscheinen, uns aber zu unklugen Entscheidungen führen, sind es sogenannte „falsche“ Gefühle, wie zum Beispiel übertriebener Ehrgeiz im Sport. Außerdem sind unsere Gefühle nicht dazu da, die Realität genau abzubilden – sie wurden entwickelt, um nüchtern gesagt unsere Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Auch wenn das bedeutet, uns in die Irre zu führen.
Im Leistungssport bringen wir Körper und Geist an ihre Grenzen. Auch wenn dies in einem kontrollierten Rahmen geschieht, interpretiert unser Gehirn dies oft als lebensbedrohliche Situation und versucht, uns zu stoppen. Deshalb sind unangenehme Gefühle im Sport normal und unvermeidlich – die Kunst besteht darin, wirkungsvoll damit umzugehen und die notwendigen Fähigkeiten dafür zu entwickeln.