Höchstleistungen im Sport beruhen auf einem dynamischen Gleichgewicht zwischen Aufmerksamkeit und Bewusstheit. Unsere Gedanken neigen dazu, abzuschweifen, weshalb bewusstes Training entscheidend ist, um fokussiert zu bleiben. Doch unter Stress kann zu viel Fokus kontraproduktiv sein und automatisierte Abläufe stören. Sportler, die ihr „Feld der Bewusstheit“ und ihr „Spotlight der Aufmerksamkeit“ gezielt einsetzen, können aufgabenrelevante Ziele verfolgen und Ablenkungen ausblenden. Mentales Training, insbesondere durch Meditation, stärkt das Arbeitsgedächtnis und schärft Aufmerksamkeit und Bewusstheit. Erfahre, warum diese Konzepte wichtig sind und wie du sie in dein Training integrieren kannst.
Fluch und Segen von Aufmerksamkeit
Entgegen der landläufigen Meinung ist unser Geisteszustand tatsächlich sehr wechselhaft. Ständig sind wir auf der Suche nach Aufgaben und Ablenkungen, die unsere Aufmerksamkeit fesseln. Im Durchschnitt bleibt der menschliche Fokus nur etwa fünf Sekunden lang bestehen. Ohne klare Ziele oder regelmäßiges Training fällt es uns schwer, unsere Konzentration auch nur kurzfristig aufrechtzuerhalten. Evolutionär macht das Sinn und wir bemerken ungewöhnliche Dinge normalerweise nur so lange, bis wir sicher sind, dass sie keine Gefahr darstellen und sparen Energie, indem man die Aufmerksamkeit von bekannten und damit sicheren Dingen abwendet. Im alltäglichen Leben ist man damit selten ganz bei der Sache. In Wettkampfsituationen führt ein Verlust von Aufmerksamkeit zu Fehlern und kostet entscheidende Chancen. Dies passiert vor allem dann, wenn unser Arbeitsgedächtnis durch andere Aufgaben überlastet ist. Man ist dann nicht voll bei der Sache.
Zu viel Fokus kann jedoch auch nachteilig sein. Unter emotionalem Stress konkurrieren zahlreiche Sorgen um unsere Aufmerksamkeit und starke Emotionen führen zu einer übermäßigen Fokussierung. Wir denken zu viel über unsere Handlungen nach, versuchen alles besonders gut zu machen und stören dadurch automatische Abläufe, welche ohne Einmischung des Bewusstseins in diesen Momenten viel besser funktionieren.
Letztlich ist eine Kombination aus hoher, zielgerichteter und flexibler Aufmerksamkeit und bewusster Wahrnehmung, welche den Schlüssel für außergewöhnliche Leistungen bietet. Dies erfordert ein Bewusstsein, das über das Normale hinausgeht. Klingt spannend? Das ist es definitiv und ein Grund mehr, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.
Was versteht man unter Aufmerksamkeit und Bewusstheit?
Unsere bewusste Erfahrung besteht aus allem, was wir in einem bestimmten Moment erleben, und nimmt dabei zwei unterschiedliche Formen an: Aufmerksamkeit und Bewusstheit. Wenn wir unseren Fokus auf etwas richten, dominiert dies unsere bewusste Erfahrung, oft unter Ausschluss anderer Informationen. Gleichzeitig können wir jedoch allgemeiner bewusster sein, was im Hintergrund geschieht. Diese Bewusstheit liegt auf einer breiteren oder weniger spezifischen Ebene als die fokussierte Aufmerksamkeit.
Ich bevorzuge es, die Bewusstheit als ein „Feld der Bewusstheit“ zu beschreiben. Für einen Athleten beinhaltet dies alles im Bereich von Raum und Zeit, was relevant ist, um die aktuelle Aufgabe zu bewältigen. Dieser Ansatz ist ganzheitlich, offen und bietet den Gesamtkontext für die bewusste Erfahrung. Alles andere sollte ausgeblendet werden, da es eine Quelle der Ablenkung ist und mentale Energie zersplittert. Innerhalb dieses Bewusstheitsfeldes können wir Teile des Inhalts isolieren, um sie zu analysieren und zu interpretieren, d.h. sie mit einem „Spotlight der Aufmerksamkeit“ zu fokussieren.
Die Aufmerksamkeit analysiert unsere Erfahrungen, und die periphere Bewusstheit liefert den Kontext. Neue Informationen erscheinen zuerst innerhalb des Bewusstseins. Hier entscheidet der Geist, ob etwas wichtig genug ist, um zum Objekt der Aufmerksamkeit zu werden. Wenn eine der beiden Funktionen nicht erfüllt wird oder wenn es an ausreichender Interaktion zwischen ihnen fehlt, reagieren wir weniger effektiv auf Situationen. Wir könnten überreagieren, schlechte Entscheidungen treffen oder missverstehen, was vor sich geht.

Die optimale Balance: Was ist notwendig und wenn?
In jeder Wettkampfsituation im Sport verlassen wir uns auf stabile, motorische Sequenzen, die tief in unserem Nervensystem verankert sind, bekannt als prozedurales Gedächtnis. Diese Autopilot-Sequenzen laufen automatisch auf unbewusster Ebene ab und sollten besser unangetastet bleiben. Zusätzlich erfordern Wettkampfsituationen fortwährende Entscheidungen, die von unserem bewussten Verstand getroffen werden.
Die Balance zwischen diesen unbewussten und bewussten Prozessen und damit auch zwischen Aufmerksamkeit und Bewusstheit, ermöglicht Höchstleistungen. Das Feld der Bewusstheit schafft jene „Blase“, die alles einschließt, was für die Aufgabe relevant ist, egal ob beim Laufen, Golfspielen, Skifahren, Basketball oder einer anderen Sportart. Dieses Feld kann bewusst definiert und angepasst werden und bildet den Rahmen für einen reibungslosen Ablauf automatischer Sequenzen, einschließlich der Bewusstheit, dass man auf Autopilot handelt. Innerhalb dieses Bewusstheitsfeldes müssen wir ständig auf Faktoren achten, die für die Aufgabe bedeutend werden könnten, wie Umweltveränderungen, das Antizipieren von Bewegungen der Gegner, die Planung taktischer Züge und zunehmenden Unbehagen oder Schmerz. Kurz gesagt: das Spiel aufmerksam lesen und taktische Schritte anpassen.
Achtsamkeit ist die optimale Wechselwirkung zwischen Aufmerksamkeit und Bewusstheit. Es geht darum, sich dessen bewusst zu sein und darauf zu achten, was gerade jetzt, in jedem Moment, sowohl im Inneren als auch im Äußeren passiert. Aufmerksamkeit zu schenken ist nur ein Teil davon – es geht auch darum, wie man Aufmerksamkeit schenkt: unvoreingenommen. Sich in Reaktionen zu verlieren bedeutet, den Fokus auf die aktuelle Aufgabe zu verlieren. Im Moment präsent zu sein bedeutet, sich auf die Faktoren zu konzentrieren, die man kontrollieren kann und sollte.
Auch außerhalb des Wettbewerbs ist Aufmerksamkeit und Bewusstheit entscheidend, um neue Dinge zu lernen und Verhaltensweisen zu ändern, ein Prozess, der als Neuroplastizität bezeichnet wird. Je wichtiger uns etwas ist, desto höher ist die Rate der Plastizität. Im erwachsenen Gehirn reicht bloße Exposition nicht aus, um ausreichende Plastizität auszulösen. Nur die Dinge, deren wir uns bewusst sind und denen wir Aufmerksamkeit schenken, ermöglichen es dem Gehirn, sich schnell und erheblich zu verändern.
Kontrolle über das Bewusstsein als Athlet
Aufmerksamkeit kann als eine begrenzte mentale Energie betrachtet werden. Ein Schlüsselmerkmal von Sportlern, die ihr bewusstes Erleben gezielter kontrollieren können, ist die Fähigkeit, ihre Aufmerksamkeit willentlich auf etwas zu richten, sich nicht ablenken zu lassen und konzentriert zu bleiben, bis die Aufgabe abgeschlossen ist. Die notwendigen Fähigkeiten von Sportlern sind vielschichtig und umfassen:
- Selektive Aufmerksamkeit: Konzentration auf aufgabenrelevante Ziele, während Ablenkungen ignoriert werden.
- Anhaltende Aufmerksamkeit: Aufrechterhaltung des Fokus über längere Zeiträume.
- Situative Aufmerksamkeit: Wachsamkeit für neue, möglicherweise wichtige Ziele.
- Aufmerksamkeitsflexibilität: Wechsel oder Teilung des Fokus zwischen mehreren Zielen.
Das Feld der Bewusstheit und der Fokus der Aufmerksamkeit müssen nicht nur an die spezifischen Anforderungen des Sports angepasst werden, sondern ändern sich auch je nach den individuellen Anforderungen der Situation. Es ist eben ein markanter Unterschied zwischen entspanntem Laufen und dem letzten Kilometer eines 10-km-Laufs „all-out“. Dieses wichtige Thema werden wir in einer späteren Episode ausführlicher betrachten.
Diese Fähigkeiten erfordern fortgeschrittene kognitive Kapazitäten, sowohl auf bewusst steuerbarer als auch auf unbewusster, automatischer Ebene. Top-Athleten nehmen die Wechselhaftigkeit der Aufmerksamkeit wahr und können die Qualität ihrer eigenen Wahrnehmung verfolgen. Sie bemerken, wenn der Geist abschweift. Diese Fähigkeit, den eigenen Geisteszustand und seine Aktivitäten zu beobachten, nennt man metakognitive Wahrnehmung. Diese Art des Bewusstseins ermöglicht es uns, unseren Geist zu überwachen, ohne von Gedanken und Gefühlen überwältigt zu werden.
Aufmerksamkeit und Bewusstheit lassen sich gezielt trainieren
Um unsere Aufmerksamkeit trotz Ablenkungen gezielt auf ein bestimmtes Ziel zu lenken, ist es notwendig, das Arbeitsgedächtnis zu stärken, das für bewusste Denkprozesse wie die Aufmerksamkeitssteuerung verantwortlich ist. Interessanterweise erfolgt die Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeit und Bewusstheit über längere Zeiträume größtenteils unbewusst. Während wir unseren Willen einsetzen können, um uns kurzfristig zu konzentrieren, haben wir weniger Kontrolle darüber, wie lange wir diesen Zustand beibehalten. Daher ist es entscheidend, sowohl bewusste als auch unbewusste Prozesse zu schulen. Dies geschieht, indem Aufgaben des Arbeitsgedächtnisses in unbewusste Routinen transformiert werden, was für das Gehirn energetisch effizienter und schneller ist.
Mentales Training, basierend auf Meditationstechniken, ist ein effektives Werkzeug, um genau diese Fähigkeiten gezielt zu entwickeln. Erfahrene Athleten, die diese Techniken praktizieren, können ihre Aufmerksamkeit gezielter und flexibler steuern sowie länger aufrechterhalten, während andere leichter ablenkbar sind. Meditation umfasst im Wesentlichen das wiederholte Zurückführen einer abschweifenden Aufmerksamkeit, was sowohl die Aufmerksamkeitsstabilität als auch die Achtsamkeit kultiviert.
Studien haben gezeigt, dass Meditation das Arbeitsgedächtnis signifikant verbessert und durch das bewusste Beobachten der eigenen mentalen Prozesse schrittweise das Unterbewusstsein verändert, sprichwörtlich umprogrammiert. Es ist vergleichbar mit einem Krafttraining für die Aufmerksamkeit und steigert die Fähigkeit, sich während der Leistung direkt zu konzentrieren. Meditation stärkt die Fähigkeit, einfach nur zu beobachten und präsent zu sein, ohne von Reaktionen und Urteilen abgelenkt zu werden, die oft die Erfahrung und Leistung beeinträchtigen.

Damit kannst du sofort starten
Die bewusste Fokussierung auf ein Meditationsobjekt, wie zum Beispiel den Atem, liefert den unbewussten Prozessen neue Informationen. Indem wir grundlegende Aufgaben immer wieder mit klarer Absicht wiederholen, programmieren wir die unbewussten mentalen Prozesse um. Die Praxis funktioniert, weil sie diesen unsichtbaren, unbewussten Netzwerken wiederholt neue Informationen bereitstellt.
Du kannst heute schon mit einer einfachen Übung beginnen: Konzentriere dich auf deine Atmung und verfolge jeden Atemzug. Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass dies eine der aussagekräftigsten Methoden ist, um die Konzentrationsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Am Anfang bietet es sich an regelmäßig wenige Minuten Zeit zu nehmen, um sich in ruhiger Umgebung auf die Atmung zu konzentrieren. Nach bereits wenigen Tagen wirst du jedoch merken, dass sich diese Methodik leicht in den Alltag integrieren lässt und du dich dabei ertappst, wie du unbewusst fokussierter atmest, auch in zunehmend stressigeren Situationen. Diese Übung lässt sich ebenso während sportlicher Aktivitäten anwenden, was nicht nur eine generelle Standortbestimmung ermöglicht, sondern auch deine mentale Aufmerksamkeit und dein Bewusstsein unter verschiedenen Bedingungen trainiert.